Acrylamid: Problematischer Stoff in Lebensmitteln | Verbraucherzentrale.de

2022-08-20 12:11:43 By : Ms. Jessica J

Acrylamid kann in verschiedenen stärkehaltigen und hoch erhitzten Lebensmitteln stecken. Lesen Sie, wie und wo Acrylamid entstehen kann.

Acrylamid kann sich bilden, wenn kohlenhydratreiche Lebensmittel stark erhitzt werden. Verantwortlich dafür sind Zucker wie Glukose und Fruktose, die Aminosäure Asparagin, Temperaturen über 120 Grad Celsius und ein geringer Wassergehalt des Lebensmittels. Außerdem spielen die Erhitzungsdauer und die Lagerbedingungen der Lebensmittel eine Rolle. Hohe Temperaturen ab 150 Grad Celsius lassen Lebensmittel beim Backen, Braten und Frittieren bräunen. Dabei entstehen erwünschte Aromen und Geschmacksstoffe - aber auch Acrylamid, das sich ab Temperaturen von 170 bis 180 Grad Celsius sogar sprunghaft ansteigend bildet.

Erhöhte Acrylamid-Gehalte finden sich in gebratenen und frittierten Kartoffelerzeugnissen wie Chips, Pommes Frites, Bratkartoffeln oder Kroketten, aber auch in Getreideprodukten wie Keksen, Kräcker, Toast- und Knäckebrot oder gerösteten (Frühstücks-)Cerealien. Forscher sind auch bei Kaffee, Nüssen und Weihnachtsgebäck wie Lebkuchen und Spekulatius fündig geworden.

All diese Lebensmittel sind stärkehaltig. Zucker ist der Baustein der Stärke. Gleichzeitig findet man hier die Aminosäure Asparagin, die auch in Kartoffeln und Getreide zu finden ist. Das erklärt, warum verarbeitete und hoch erhitzte Kartoffel- und Getreideprodukte zum Teil sehr hohe Gehalte an Acrylamid aufweisen. Da sich Acrylamid erst oberhalb von 120 Grad Celsius beim Backen, Braten, Frittieren oder Rösten bildet, sind alle nicht erhitzten sowie gekochten oder gedünsteten Lebensmittel frei davon.

In der Ernährung von Erwachsenen stellen Kaffee und gebratene oder frittierte Kartoffelerzeugnisse die größten Acrylamid-Quellen dar, gefolgt von Keksen, Kräckern, Knäckebrot und Toastbrot.

Für die Mehrheit der Kinder sind gebratene oder frittierte Kartoffelprodukte die wichtigste Acrylamid-Quelle. Ihr Anteil macht über die Hälfte aus. Außerdem nimmt der Nachwuchs Acrylamid über Toastbrot, Kekse, Kräcker und Knäckebrot auf.

Bei Säuglingen sind es meist Babynahrungsmittel (hauptsächlich Zwieback und Kekse).

Aufgrund der problematischen Acrylamid-Belastung bemühen sich Politik und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland seit 2002 und europaweit seit 2011 im Rahmen eines Minimierungskonzepts, diese Belastung in Lebensmitteln zu verringern. Innerhalb des Minimierungskonzeptes wurden verschiedene Warengruppen, die mit Acrylamid belastet sind, erfasst und überwacht.

Nach den ersten Datenerhebungen konnten die betroffenen Hersteller durch Rezepturanpassungen und Veränderung in der Herstellung (niedrigere Temperaturen) die Gehalte in vielen Warengruppen reduzieren, so dass sich der Signalwert mit jeder neuen Datenberechnung reduzieren ließ. Eine Übersicht über die Signalwerte von der 1. bis 8. Berechnung ist beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu finden.

Maßnahmen zur Senkung des Acrylamid-Gehalts in Lebensmitteln sind seit dem 11. April 2018 darüber hinaus in einer EU-Verordnung rechtsverbindlich. Lebensmittelunternehmer die zum Beispiel Pommes Frites, Chips, Brot oder Kaffee produzieren, müssen darauf achten, dass die Acrylamid-Gehalte unter den in der Verordnung festgelegten Richtwerten bleiben.  Geht aus den Probenahmen und Analysen hervor, dass der Acrylamid-Gehalt eines hergestellten Lebensmittels über dem Richtwert liegt, so soll der Lebensmittelmittelunternehmer umgehend Minimierungsmaßnahmen veranlassen und die Gehalte senken. Ab dem 11. April 2018 werden die Richtwerte für Acrylamid in Lebensmitteln alle drei Jahre überprüft.

2019 wurde in einer EU-Empfehlung zusätzlich eine „nicht erschöpfende Liste von auf Acrylamid-Gehalt zu überwachenden Lebensmitteln“ veröffentlicht. Diese Liste enthält Lebensmittel, für die bisher keine Richtwerte festgelegt sind.

Ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt, dass Acrylamid in Lebensmitteln das Krebsrisiko für Verbraucher aller Altersgruppen potenziell erhöht und Glycidamid, eines der hauptsächlichen Stoffwechselprodukte, die wahrscheinlichste Ursache der in Tierversuchen beobachtete Genmutationen und Tumoren ist. Hinzu kommt, dass vor allem Kinder, bezogen auf das Körpergewicht, die Altersgruppe sind, die besonders schnell höhere Acrylamid-Mengen aufnehmen können. Aufgrund dessen spricht die EFSA von einem Problem für die öffentliche Gesundheit und mahnt weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Acrylamid in Lebensmitteln an.

Studien direkt am Menschen haben bisher noch begrenzte und widersprüchliche Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko erbracht. Die Wirkung von Acrylamid auf das Nervensystem, die vor- und nachgeburtliche Entwicklung sowie die Fortpflanzungsfähigkeit bei Männern wurde als nicht bedenklich eingestuft. Acrylamid ist jedoch wasserlöslich, wird aus dem Magen-Darm-Trakt gut aufgenommen, in alle Organe verteilt und in hohem Maße verstoffwechselt. Zu diesen Stoffwechselprodukten zählt insbesondere Glycidamid. Man geht davon aus, dass die bekannten Wirkungen von Acrylamid überwiegend von diesem wesentlichem Stoffwechselprodukt verursacht werden.

Eine Höchstmenge oder ein Grenzwert, bis zu denen Acrylamid kein gesundheitliches Risiko darstellt, lässt sich nicht festlegen. Nach heutigem Wissensstand muss man davon ausgehen, dass theoretisch jede Dosis eine gesundheitsschädliche Wirkung hervorrufen kann. Das Risiko wächst, je mehr Acrylamid zugeführt wird. Deshalb sollte so wenig wie möglich aufgenommen werden.

Besonders bei Kindern ist Vorsicht geboten. Im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht essen sie mehr als Erwachsene und können deshalb schnell höhere Mengen an Acrylamid aufnehmen. Daher sollten sie belastete Produkte noch seltener verzehren.

Die Empfehlungen der Verbraucherzentralen helfen, dass sich beim Backen und Rösten daheim weniger Acrylamid bildet. Ganz vermeiden lässt sich das Entstehen von Acrylamid bei der Nahrungszubereitung nach heutigem Wissensstand jedoch nicht.

Hochbelastete Produkte meiden oder nur selten verzehren

Bei Kartoffelprodukten ist eine schonende Zubereitung besonders wichtig

Kartoffeln und Pommes Frites aus dem Backofen

Bratkartoffeln, Reibekuchen, Röstis, Pfannkuchen aus der Pfanne

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